Naturbettdecken mit Daunen- oder Synthetikfüllung sind am häufigsten in deutschen Schlafzimmern anzutreffen. Sie können aber auch andere Füllmaterialien enthalten: Baumwolle, Seide oder weiche Tierhaare von Kamel, Schaf und Ziege. Der Kauf solcher Naturbettdecken liegt stark im Trend. Spitzenreiter sind Decken mit Füllungen aus Kamelhaar und Schafschurwolle. Die Zeitschrift ÖKO-TEST hat sie vor einigen Monaten unter die Lupe genommen und getestet.
Merino, Schurwolle & Co. – Was verbirgt sich in Naturbettdecken?
Füllmaterial aus Schafwolle besteht aus weichen Haaren des Schaffells. Die Fasern werden aufgebauscht und bilden eine luftige Struktur. Die Luft zwischen den Fasern erwärmt sich beim Schlaf durch die Körperwärme und gibt der Bettdecke eine wohlige Temperatur, ohne zu einem Hitzestau zu führen. Wolle nimmt viel Wasserdampf auf, fühlt sich trotzdem nicht feucht an und leitet Feuchtigkeit schnell wieder ab. Dadurch wirkt Schafwolle zu jeder Jahreszeit temperaturausgleichend.
In unbehandeltem Zustand hat das Naturmaterial eine hohe Selbstreinigungskraft, kann aber nicht in der Waschmaschine gewaschen werden. Schafwolle wird größtenteils aus China, Australien und Neuseeland nach Deutschland importiert. Sie wird schlicht als „Wolle“ bezeichnet, wenn sie von geschlachteten Tieren stammt oder wiederaufbereitet worden ist. Von „Schurwolle“ spricht man, wenn das Wollkleid eines lebenden Tieres geschoren wird. Diese Wolle ist besonders weich und hat eine gekräuselte Haarstruktur.
Sehr hochwertig ist die Merinoschurwolle von Merinoschafen. Diese Schafrasse kommt ursprünglich aus Spanien und hat durch gezielte Züchtung besonders feine Fasern zu bieten. Südamerika, Südafrika und Australien sind führende Exportländer.
Noch feiner: das Kamelhaar
Noch feiner und anschmiegsamer als Merinoschurwolle ist Füllmaterial aus dem Flaumhaar der Kamele. Das beigebraune Unterhaar des Kamelfells hat eine leichte und weiche Faser mit gekräuselter Struktur. Es ist gut verwendbar für Ganzjahresbettdecken, kann sowohl kühlende als auch wärmende Wirkung haben und ist sehr feuchteregulierend. Kamele müssen im Gegensatz zu Schafen nicht geschoren werden. Im Frühjahr verlieren sie büschelweise auf natürlichem Wege ihr warmes Winterkleid. Für die Verarbeitung wird das Flaumhaar vom gröberen Deckhaar und steifen Grannenhaaren getrennt. Dieser Vorgang nennt sich „Entgrannen“. Je kälter und rauer das Klima ist, um so feiner und dichter wächst Kamelen das Flaumhaar. Nicht die nordafrikanischen Wüstenkamele, sondern Tiere aus Asien – der Mongolei und Westchina – sind daher die Lieferanten des feinen Füllmaterials.
Das anschmiegsamste Tierhaar für Naturbettdecken ist Kaschmirwolle. Sie übersteigt noch die Feinheit des Kamelhaars und wird von der Kaschmirziege geliefert. Dieses Tier lebt in einer Umwelt mit sehr niedrigen Temperaturen – Pakistan und Kaschmir in Nordindien. Daher wärmt Kaschmirwolle besonders gut und bietet eine außerordentlich weiche Faser. Allerdings kann Kaschmir nur wenig Feuchtigkeit aufnehmen. Wolle ab 85 % Kaschmir-Anteil darf sich in Europa „Kaschmir“ nennen. Der Preis hängt vom prozentualen Anteil ab. Das Prädikat „100 Prozent Kaschmir“ erhält ein Produkt mit nahezu vollständigem Kaschmiranteil.
Pestizide & Co. – Sind Naturhaardecken gesundheitlich unbedenklich?
Um Tierhaare als Füllmaterial aufzubereiten, können diverse chemische Stoffe zum Einsatz kommen. Im Einzelnen sind das:
- Pestizide: Sie sollen Wolle gegen Mottenbefall schützen.
- halogenorganische Verbindungen: Ihr Einsatz kann Wolle waschbar machen und als Rückstand in der Faser verbleiben.
- chlorierte Verbindungen: Diese finden sich häufig in der Verpackung.
- Formaldehyd: Kann als Rückstand aus der Textilverarbeitung im Oberstoff vorkommen.
- Optische Aufheller: Sie sollen die Oberstoffe hell und weiß aussehen lassen.
- Nonylphenolethoxylate: Es handelt sich um Tenside aus industriellen Waschmitteln.
Die gesundheitliche Unbedenklichkeit hängt davon ab, ob sich Rückstände solcher Stoffe in den Bettdecken finden.
Faserqualität & Co. – Das hat ÖKOTEST untersucht
ÖKO-TEST hat 15 Naturbettdecken in Labore geschickt. Geforscht wurde nach Rückständen aus den oben genannten chemischen Verbindungen.
Zwölf Naturbettdecken enthielten Schafschurwolle und Kamelhaar, zwei waren mit Kaschmir gefüllt. Als Vergleichsgröße wurde eine Bettdecke mit pflanzlicher Bio-Baumwollfüllung getestet. Ausgewählt wurden sogenannte Ganzjahresdecken mit einem mittleren Wärmegrad in der Standardgröße 135/140 x 200 Zentimeter und einer Preisspanne von ca. 100,– € bis 350,– €.
Die Journalisten von ÖKO-TEST waren aber nicht nur an den gesundheitlichen Aspekten interessiert. Sie prüften auch die Faserqualität der Füllmaterialien. Dafür ließ ÖKO-TEST die Naturbettdecken Füllungen mikroskopisch untersuchen. Befinden sich hochwertige und feine Tierhaare in den Naturdecken oder auch grobe Fasern? Wurde Kamelhaar sorgfältig entgrannt? Passt die Faser auch zu Leinenbettwäsche?
Minuspunkte & Co. – Die Bewertungsrichtlinien von ÖKO-TEST
Negative Bewertungen vergibt die Zeitschrift in folgenden Fällen:
- Die Bettdecken enthalten problematische Stoffe wie Permethin, eine umstrittene halogenorganische Verbindung.
- Die Fasern haben eine schlechtere Qualität als ausgewiesen.
- Die Reinheit der Füllmaterialien ist nicht so hochwertig wie behauptet.
Je deutlicher die Mängel auftreten und je mehr vorliegen, um so negativer fällt die Gesamtbewertung aus.
Das Testergebnis von ÖKO-TEST
Fünf Naturbettdecken haben überzeugt. Wenig oder gar nichts war an ihnen auszusetzen. Dazu gehört die Bettdecke mit Baumwollfüllung.
Bei den Tierhaar Naturbettdecken zählen diese Produkte zu den Testsiegern: Die „Cammello“ Kamelflaumhaar-Leicht-Bettdecke von Allnatura sowie Wellness Zirbe Ganzjahresdecke von der Hefel Bettwaren Textil GmbH. Die Firma Prolana überzeugte mit der Vier-Jahreszeiten-Steppdecke Cesana Schafschurwolle und Purnatour mit ihrer Ganzjahres-Bettdecke Schurwolle, naturbelassen.
Drei Naturbettdecken enthielten das Prädikat „gut“. Sechs Produkte erreichten ein befriedigendes Gesamtergebnis. Die OBB Naturhaardecke Merinoline Mono ist nicht mehr empfehlenswert und bekam die Bewertung „ausreichend“.
Viermal wurden Pestizide und Permethrin nachgewiesen, zweimal lagen die Werte in einem Messbereich, der zur Abwertung führte. Am stärksten betroffen war das F.a.n. Kaschmir Steppbett. Die Ergebnisse lassen allerdings auf Verunreinigungen schließen, nicht auf gezielte Behandlung mit den kritisierten Stoffen.
Der am häufigsten auftretende Mangel bei den Naturbettdecken steckt in der Faserqualität des Füllmaterials.
Die Grüne Erde Ganzjahresdecke Schurwolle wird als Bettdecke mit Merinoschurwolle beworben. Die feine Merinofaser darf jedoch eine Dicke von 28 Mikrometern nicht überschreiten, meistens liegt sie bei 25 Mikrometern. Die Fasern aus der Test-Bettdecke entsprachen jedoch nur zum Teil der feinen Merinofaser, die meisten Haare waren deutlich dicker. Das lässt auf eine Füllung mit sogenanntem Crossbred schließen. So bezeichnet man Wolle von Tieren, die aus einer Kreuzung von zwei unterschiedlichen Rassen stammen – hier wohl Merinoschaf mit einer anderen Schafrasse.
Ein weiteres Kriterium ist die Reinheit der Füllung. Für die Kennzeichnung „Schurwolle“ muss der Schurwollanteil bei 99,7 % liegen. So sieht es die Textilkennzeichnungsverordnung vor. Die Grüne Erde Ganzjahresdecke enthielt jedoch 1,2 % Fremdfasern. Damit kann die Füllung nicht als Schurwolle ausgewiesen werden und darf nur mit der Kennzeichnung „100 Prozent Wolle“ beworben werden.
Ähnliche Einwände betreffen Bettdecken mit Kamelhaarfüllung. Es finden sich keineswegs nur feine, hochwertige Flaumhaare in den Bettdecken. Die Firmen Dormiente, Erwin Müller und Traumina haben ihre Kamelhaardecken mit den Bezeichnungen „feinstes Kamel(flaum)haar“ und „Kamelhaar superentgrannt“ beworben. Demnach dürften nur wenige oder gar keine Fasern aus dem Kamel-Deckhaar in den Deckenfüllungen enthalten sein. Die Untersuchungen ergaben anderes: Nur wenige feine, aber viele dicke Fasern befanden sich in den Test-Bettdecken dieser Firmen.
Gerade dicke Fasern erschweren Prüfungen über die Reinheit des Füllmaterials. Bei Waschvorgängen oder chemischer Behandlung verlieren dicke Fasern ihre natürlichen Herkunftsmerkmale und lassen sich voneinander nicht mehr unterscheiden. Ob also eine dicke Faser ursprünglich vom Schaf stammt oder dem Deckhaar eines Kamels: Es ist dann unklar. Entsprechend haben die von ÖKO-TEST beauftragten Textillabore nicht immer zweifelsfrei Auskunft geben können, ob die Bettdecken tatsächlich zu 100 Prozent Kamelhaar oder Kaschmir enthielten wie angegeben.
In mehreren Etiketten und Bezügen ließen sich optische Aufheller nachweisen, ein Drittel der Testprodukte enthielt Nonylphenolethoxylaten-Rückstände. Diese Stoffe belasten unnötig die Umwelt.
Insgesamt belegt das Testergebnis an Firmen wie Allnatura, Prolana oder Textil Hefel die Möglichkeiten zu einer qualitätsvollen und gesundheitlich unbedenklichen Produktion von Naturbettdecken.
Reaktionen der Hersteller
Einige Hersteller haben auf die Testergebnisse reagiert. Warum Kamelhaardecken nicht nur die feinen Flaumhaare enthalten, erklären sie so: Allnatura gibt an, dass die Mischung aus feinstem Flaumhaar und festeren Kamelhaaren die „bestmögliche Gitterstruktur“ für die Füllung erhält. Traumina verweist auf ein maßvolles Mischverhältnis von Deck- und Flaumhaar, um die Bauschigkeit der Vliese bestmöglich herzustellen.
Badenia, Dormiente undVersandhaus Erwin Müller berufen sich auf Testergebnisse eines Lieferanten. Demnach stammen die festeren Fasern aus Dromendarhaar, das mit Kamelhaar gemischt sei. Hier stellt sich die Frage: Wieso erfahren die Kunden nichts davon, dass sie zu Teilen in Dromedarhaar schlafen?
Laut eines weiteren Lieferanten sei unmöglich, reines Kamelhaar zu liefern, da es in Waschanlagen mit Rückständen aus Yakwolle, Kaschmir oder Schafwolle vermischt werde. Verunreinigung entstehe schon bei der Gewinnung des Rohprodukts, da die Nomaden oder Bauern oft unterschiedliche Nutztiere halten. Eine Charge Kamelhaar habe daher nur eine Reinheit von 92–95 %. Darüber hinaus beschädige das Entgrannen die Faserstruktur und schränke die prüfbare Zuordnung zur Tierart ein.
Die Firmen Frankenstolz, Allnatura, Lonsberg, Traumina und Brinkhaus haben Testzertifikate vorgelegt, die ihre Materialien als 100-prozentig reines Kaschmir bzw. Kamelhaar auswiesen.
Frankenstolz lässt einige Bettdecken chemisch behandeln und verweist auf die dadurch entstehende Veränderung in der Faserstruktur. Der reine Kaschmirgehalt könne deshalb nicht eindeutig nachgewiesen werden.
Ratlos steht die OBB Oberbadische Bettfedernfabrik vor den Testergebnissen. Erstmals sei Permethrin in ihren Bettdecken nachgewiesen worden, obwohl die Schurwolle aus kontrollierter Tierhaltung stamme und zertifiziert sei. Bezüglich der Verunreinigung mit Fremdfasern verweist die Firma auf ihre ökologisch ausgerichteten Verarbeitungsprozesse. Restbestandteile der Ware werden nicht weggeworfen, sondern wiederverwertet. Dabei könne versehentlich ein Teil Baumwoll- oder Polyesteranteil in die Schurwolle geraten sein.
Nonylphenolethoxylate sind bei den Herstellern und Lieferanten unerwünscht. Die EU-Industrie hat sich selbst verpflichtet, keine umweltbelastenden Tenside in Waschmitteln mehr einzusetzen. Das Versandhaus Erwin Müller verweist auf die Bemühungen der Lieferanten, alternative Waschmittel einzusetzen. Firma Dormiente möchte infolge der Testergebnisse ihr eigenes Untersuchungsprogramm verstärkt auf dieses Thema richten.
Kompaktwissen über Naturbettdecken
Waschbarkeit
Tierhaarbetten sind meistens nicht waschbar. Das hat einen guten Grund. Wolle und Tierhaare waschbar zu machen, gelingt nur mit chemischen Wirkstoffen. Darauf sollte aus gesundheitlichen und umweltschonenden Gründen verzichtet werden. Die Selbstreinigungskraft von Tierhaaren ist ausreichend für eine hygienische Schlafsituation – vorausgesetzt die Decken werden regelmäßig gelüftet und ausgeschüttelt. Allergiker sind gut beraten, Bettdecken mit Baumwollfüllung wählen. Sie sind waschbar.
Einteilung in Wärmegrade
Wie warm ist eine Bettdecke? Hierzu gibt es leider keine einheitlichen Definitionen und jeder Hersteller entwickelt eigene Angaben. Es gibt dreistufige Wärmeeinteilungen, manche Produzenten weisen die Wärmewirkung ihrer Decken in fünf Stufen aus – oder sogar noch mehr.
Diese Angaben können also nur eine grobe Orientierung bieten. Ein Vergleich lässt sich ansonsten über die Gewichtsangaben anstellen.
Kontrolliert biologische Herstellung
Zu unterscheiden ist zwischen kontrolliert biologischem Anbau (kbA) für Pflanzenprodukte wie Baumwolle und kontrolliert biologischer Tierhaltung (kbT) für Wolle und Tierhaar. Bettdecken mit diesen Zertifikaten enthalten Füllmaterial, das nach international anerkannte Bio-Standards geprüft wurde. Im Anbau von kbA-Baumwolle kommen keine chemischen Dünger und synthetischen Pestizide zum Einsatz. Die Ernte erfolgt in Handarbeit. Chemische Entlaubungsmittel sind ebenso wenig erlaubt wie der Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen.
Für die Herstellung von ktB-Tierprodukten ist die artgerechte Tierhaltung zu beachten. Masthilfsmittel und gentechnisch veränderte Pflanzen dürfen nicht verfüttert werden. Pestizide haben in Schurwolle mit ktB-Zertifizierung nichts zu suchen.
In manchen Fällen ist die gesamte Lieferkette zertifiziert. Die ökologisch hochwertigsten Siegel verspricht im Moment das IVN-Best vom Internationalen Verband der Naturtextilwirtschaft und – mit etwas Abstand – GOTS (Global Organic Textile Standard)
Toller Artikel, gefällt mir gut. Ich habe diesen auf Social Media geteilt
und ein paar Likes dazu bekommen. Weiter so!